Ich habe in den beiden vergangenen Posts dargelegt, warum Werbesprache eine besondere Form der Kommunikation ist und welche Modelle dabei helfen können, ihr Wesen und ihre Funktionsweise zu verstehen. Betrachtet man sich nun Werbetexte im Detail, dann fällt bei den verbalen, d.h. geschriebenen Elementen von Werbesprache die besondere Rolle der Interpunktion auf.


Bei französischen Anzeigen (und wahrscheinlich auch bei anderssprachigen Werbeanzeigen) wird der Punkt häufig nicht so angewendet, wie die Grammatik dies eigentlich vorschreibt. Einerseits findet man Headlines, die zwar einen korrekten Satz bilden, aber nicht mit Punkt abschließen. Der Punkt würde hier stören und zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Zum anderen findet man Nicht-Sätze -- häufig auch nur einzelne Wörter -- die hingegen mit einem Punkt beendet werden (Bsp. aus der Autowerbung: "Impressionant."; Bsp. aus der Chemie: Die BASF-Werbung "Unsichtbarer Beitrag. Sichtbarer Erfolg."). Der Punkt dient dann als Abschluss und Bekräftigung und verstärkt sogar die Aussage.


Ein weiteres "Satzzeichen", das in der Werbung gerne angewendet wird, sind die Auslassungspunkte. Wie die französische Entsprechung "points de suspension" bereits sagt, soll hier Spannung erzeugt werden. Ich bin bei Corinna Dürrs "Textguerilla" auf ein wunderbares Plädoyer pro Auslassungspunkte gestoßen...Unbedingt lesen!


Ähnliche Besonderheiten gelten sicherlich auch für den Gedankenstrich, das Semikolon und das Ausrufungszeichen. Ich möchte jedoch noch ein Symbol ansprechen, das genaugenommen kein Satzzeichen ist, aber dennoch die Leserichtung beeinflusst: Das Stern-Zeichen ("*"). Es wird häufig verwendet, wenn in medizinischer Werbung wissenschaftliche Ergebnisse in kleiner Schrift unterhalb der Anzeige belegt werden oder wenn in Autowerbung Verbrauchskennzahlen angegeben werden. Diese würden im Fließtext stören und den Lesefluss behindern, so dass interessierte Leser mithilfe des Sterns an anderer Stelle weiterlesen können. Weiterhin gibt es hier in der französischen Werbesprache eine Besonderheit, die auf der Verpflichtung beruht, ausländische Slogans oder Ausdrücke ins Französische zu übersetzen -- auch hier wird gerne auf den Stern zurückgegriffen. Diese Verpflichtung beruht auf dem Artikel 2 der loi relative à l'emploi de la langue française, die 1994 erlassen wurde und für jegliche Form der Werbung gilt. 
 
Sprache ist eine besondere Form der Kommunikation. Sie kann schriftlich oder mündlich übermittelt werden und besitzt verschiedene Stilniveaus, wie beispielsweise die Umgangssprache. Darüber hinaus kann Sprache auch nach Bereichen geordnet werden, in denen sie eingesetzt wird: So unterscheidet sich die Sprache eines Theaterschauspielers deutlich von der eines Politikers. Auch die Werbesprache kann als eine spezielle Sprachform gesehen werden, die sich durch besondere Merkmale auszeichnet.

Werbesprache charakterisiert sich demzufolge als eine persuasive Sprachform, d.h. sie versucht beim Empfänger der Werbenachricht eine bestimmte Handlung (z.B. Kauf des Produktes) oder eine bestimmte Einstellung (z.B. Kenntnis der Marke) hervorzurufen. Die Werbesprache rückt also den Empfänger in den Vordergrund, oder in der Terminologie des Zeichenmodells von Roman Jakobson: Die konative Funktion steht bei der Werbesprache im Vordergrund. Weiterhin darf nicht übersehen werden, dass je nach Werbeform (die sich unterscheiden kann je nach Medium, Produkt, Zielgruppe, beabsichtigter Wirkung, Textsorte usw...) auch der informative Gehalt (nach Jakobson: die referentielle Funktion) der Werbesprache von großer Bedeutung ist.

Die funktionalen Erfordernisse an Werbesprache sind also relativ hoch, da in kurzer Zeit (ein Werbespot dauert heutzutage i.d.R. 30 Sekunden) oder auf begrenztem Raum (die in der Ecke platzierte Zeitungsanzeige, die beim Umblättern gerne übersehen wird) ein Maximum an Information übermittelt oder an Emotion ausgelöst werden soll. Die Werbesprache nutzt deshalb ein breites Spektrum an sprachlichen Mitteln, um zum gewünschten Erfolg zu gelangen. Dazu gehören der Einsatz verbaler (beispielsweise Text) und non-verbaler (Bilder, Musik, Stimmlage) Elemente. Wortspiele kommen häufig vor und zahlreiche andere Stilmittel ebenso. Das Ziel besteht häufig darin, Aufmerksamkeit zu erlangen, um den Adressaten spielerisch teilhaben zu lassen an der Entschlüsselung der Werbebotschaft.

Dieser grundlegende Prozess, den Zeichentheoretiker Semiose nennen, wird im Falle der durch ökonomische Ziele geprägten Werbung häufig als Vorwurf an die Werbung herangetragen. Sie trage durch die Verwendung von Stereotypen sowie durch die Künstlichkeit ihrer Gestaltung zur massenhaften Manipulation der Wirklichkeit bei. Dieser Vorwurf kann jedoch auch umgedreht werden, da die Werbesprache als kreative Spielwiese die Bandbreite sprachlicher Möglichkeiten exemplarisch aufdeckt. Die negative Konnotation des Stereotypen-Begriffs kann also positiv umgedeutet werden: die Komprimierung außersprachlicher Realität in Stereotypen macht nämlich die Welt für den Menschen als Zeichenwesen erst begreifbar. Ähnlich wie im Falle von Textsorten dient das Schubladenarsenal der Stereotypen dazu, Realität zu erfahren und für uns nutzbar zu machen. Insofern ist das Artifizielle von Werbesprache durchaus kompatibel mit der Beurteilung von Werbesprache als facettenreichem Abbild des gegenwärtigen Sprachgebrauchs (vgl. Metzler Lexikon Sprache: Werbesprache).