Alphabetische Schriftsysteme können in Bezug auf die Übereinstimmung von Wort und Schrift (sogenannte Phonem-Graphem-Korrespondenz) mit der Dichotomie flach-tief charakterisiert werden. Wenn aus der Aussprache hervorgeht, wie ein Wort zu schreiben ist, handelt es sich um ein flaches Schriftsystem. In wissenschaftlicher Formulierung: Die Schreibung (Grafie bzw. Orthografie) bewegt sich auf Ebene der phonetischen Oberfläche. Wenn das Gegenteil der Fall ist, spricht man von einem tiefen  Schreibsystem. Dann bewegt sich die Grafie auf Ebene der Morphologie bzw. gehorcht grammatischen Überlegungen.

Das Spanische ist ein flaches Schreibsystem. Dafür gibt es insbeosndere drei Gründe:

- die Existenz von lediglich fünf Vokalen. Und damit ist nicht die Schreibung gemeint, sondern die Lautung. Zwar gibt es in anderen europäischen Schriftsystemen auch nur fünf geschriebene Vokale, doch existieren meist sehr viel mehr daraus abgeleitete Lautungen. Im Spanischen gibt es hingegen für jeden geschriebenen Vokal hingegen genau eine sprachliche Realisierungsform.

- die vollständige Abwesenheit von Doppelkonsonanten. Es gibt sie im Spanischen einfach nicht (man schreibt also nicht "*communicar" sondern "comunicar", ebenso wie "pasión" und "inteligencia"). Nun mag man einwenden, dass es doch das "ll" und "rr" gibt -- richtig! Diese gelten jedoch im Spanischen als eigene Buchstaben und sind auch bedeutungsunterscheidend, das heißt sie werden anders ausgesprochen als die einfachen Konsonanten "l" und "r" (jeder Spanisch-Anfänger wird sich dessen bewusst, wenn er erfährt, dass man ein "r" nicht nur rollen kann, sondern sogar doppelt rollen...)

- schließlich die Art und Weise, wie Frendwörter in die spanische Sprache aufgenommen werden. Häufig ist es so, dass Fremdwörter dafür sorgen, dass Laute in eine Sprache gelangen, die es vorher dort nicht gab. Dies befördert den Lautwandel und sorgt somit meist für mehr Tiefe. Das Spanische hingegen assimiliert Fremdwörter grundsätzlich so, dass sie mit dem Lautinventar des Spanischen ausgesprochen werden können (Bsp: chutar - aufs Tor schießen (engl. to shoot); chófer - Fahrer (frz. Chauffeur); líder - Anführer (engl. leader). Auch der griechische Digraph "ph" wird im Spanischen als "f" realisiert (grafía - Graphie (altgr. graphein)

Es gibt einige Ausnahmen, die insbesondere historisch bedingt sind und verhindern, dass das Spanische ein vollständig flaches System ist:
- die Existenz des Buchstabens "h", der jedoch nicht gesprochen wird. Es gibt drei Gründe: Erstens die etymologisierende Schreibweise spanischer Wörter gemäß des lateinischen Ursprungs, mit dem die Schreiber in der frühen Phase des Spanischen ihre Kenntnis der lateinischen Sprache unter Beweis stellen wollten. Zweitens die Existenz eines "h" bei latenischen Wörtern, die mit "f-" beginnen und einem Vokal vorausgehen. So geht "hijo - Sohn" auf das lateinische Wort "filius" zurück. Drittens schließlich ein "h-" im Wortbeginn, das der Aussprachehilfe bei folgendem "-ue-" dient. Dies hängt damit zusammen, dass im Lateinischen "v" und "u" nicht unterschieden wurden. Um im frühen Spanisch unterscheiden zu können, wann die Aussprache /we/ (also geschrieben als <ue>) im Gegensatz zu /ve/ (geschrieben <ve>) vorlag, hat man einfach ein "h" ohne zugehörigen Lautwert davorgesetzt -- quasi als diakritisches Zeichen. Dies sieht man heute noch etwa im Spanischen Wort "huevo - Ei".

- die unterschiedliche Realisierung von gesprochenem /k/. So wird vor den Vokalen a, o und u ein <c> geschrieben, etwa in "casa". Vor e und i muss hingegen ein <qu> geschrieben werden, wenn man /k/ andeuten möchte. Demgegenüber steht der Graph <c> vor e und i für den Lautwert θ.




Leave a Reply.